Der wilde Mann
|
|
Vor langer Zeit trieb sich ein wilder Mann in Glödnitz
herum. Zu Hause war er beim Frießer und beim Herrentaler. Er
war ungeheuer groß. Wenn er beim Frießer oben stand, so
war er mit einem einzigen Schritt unten beim Herrentaler. Bei Nacht
schlief er meist in der Gegend um die Schlafstallungen. Wenn er ein
Schaf "gspürte", zerriss er es in tausend Fetzen. Nach
dem Betläuten durfte ihm kein Mensch in die Nähe, sonst
ging es ihm gleich wie den armen Schafen.
Der wilde Mann hatte sich einem Bauer angefreundet, und
dieser war stets darum bemüht, seine Freundschaft zu erhalten. Denn
der wilde Mann ließ des Bauers Vieh prächtig gedeihen, und die Kühe
gaben unerhört viel Milch. Der Bauer ließ die Milch sauer werden,
um sie zu verbuttern, und hatte zu diesem Zweck immer ganze Reihen
gefüllter Stotzlan stehen. Täglich kam auch der wilde Mann, besah
mit Behagen den Milchsegen, schnüffelte täppisch bei den Sch&uumL,sseln
herum und leckte schließlich aus jeder etwas heraus. Da er am ganzen
Leib zottig behaart und entsetzlich unsauber war, blieb von seinem haarigen Unrat immer etwas in der Milch zurück. Der Bauer ärgerte sich, dass ihm der wilde Mann die Milch verunreinigte, und sann dar&uumL,ber nach, wie er ihm diese üble Gewohnheit verleiden könnte. Schließlich wusste er sich zu helfen. Eines Tages mischte er heimlich die Milch mit Schnaps. Der wilde Mann kam wieder und begann gewohnheitsmäßig zu lecken. Die Milch schmeckte ihm diesmal ganz besonders gut. Erst als er satt war, bemerkte er, wie man ihn hineingelegt hatte, und rief voll Zorn zum Bauer hinüber: "Die Milach is der ganzen Welt a Muater, der Schnaps aber is der ganzen Welt a Narr. Bauer, in dei Haus kimm i nimmermehr!" Lachend stand das Gesinde dabei und ergözte sich daran, wie der wilde Mann in seinem Schnapsrausch die Leiten hinunterschwankte und kugelte. Der wilde Mann hat Wort gehalten. Nie hat man ihn wieder gesehen. Aber auch der Segen um Vieh und Milch war weg und ist nie wiedergekehrt. |
|
|
|