Das verlorene Lamm
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Als ein Schuster abends seine Schafe von der Weide
trieb, bemerkte er, dass ihm ein Lamm fehlte. Nach dem Abendläuten
machte er sich auf die Suche. Im Wald sah er von weitem ein Feuer
und ging ihm zu. Zu seinem größten Staunen sah er, dass
sein Lamm bereits auf einem Bratspieß steckte und briet. Ein
steinalter Mann mit langem, weißem Bart drehte den Spieß
ständig um, damit der Braten nicht anbrenne. Furchtlos ging der
Schuster zum Alten hin und setzte sich neben ihm nieder. Der Alte
tat ihm nichts, sondern als der Braten fertig war, gab er ihm ein
Stück davon zu kosten. Er ermahnte ihn aber, kein Knöchelchen
wegzuwerfen, sondern ihm alle wieder zurück zu geben. Der Schuster
konnte es nicht verwinden, dass ihm der Alte sein Lamm genommen hatte,
wollte ihm einen Streich spielen und steckte ein Knöchelchen
von seinem Braten in die Tasche. Die anderen Knochen gab er dem Mann
zurück.
Gegen Mitternacht begann der Alte die Knochen zusammenzustellen,
zog die Schafhaut über sie, und siehe da, das Lamm stand wieder
lebendig da und wollte auf Geheiß des Alten davonjagen. Jedoch
konnte es nicht laufen, da ihm ein Glied fehlte. Jetzt merkte der
wilde Mann, dass ihn der Schuster betrogen hatte, und wurde zornig.
Diesem wäre es schlecht ergangen, wenn nicht im selben Augenblick
die Kirchenuhr eins geschlagen hätte. Zugleich mit dem Glockenschlag
verschwand der wilde Mann, und der Schuster hatte sein Lämmlein
wieder. Es konnte aber leider nicht gehen. Der Schuster wandte sich
an den Dorfältesten um Rat. Dieser hieß ihn das Schaf in
der nächsten Nacht in den Wald tragen und es nebst dem Knöchelchen
an dieselbe Stelle bringen. Dies befolgte der Schuster, und das Lamm
kam tags darauf vollig gesund nach Haus. |
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